Orchesterkonzert – vbw-Jugendsinfonieorchester

Freitag, 27. September 2024, 18:00 Uhr · Fiskina Fischen

Solisten: Sabine Meyer, Klarinette • Nils Mönkemeyer, Viola

  • Carl Maria von Weber: Concertino für Klarinette und Orchester Es-Dur, op. 26 (1811)
  • Carl Maria von Weber: Andante e Rondo ungarese für Viola und Orchester Es-Dur, op. 35 (1809)
  • Max Bruch: Doppel-Konzert für Klarinette, Viola und Orchester e-Moll, op. 88 (1911)
  • Ludwig van Beethoven: Sinfonie Nr. 6 F-Dur, op. 68 „Pastorale“ (1807 – 1808)

Mitwirkende

Sabine Meyer

Sabine Meyer gehört weltweit zu den renommiertesten Solist:innen überhaupt. Ihr ist es zu verdanken, dass die Klarinette, oft als Soloinstrument unterschätzt, das Konzertpodium zurückerobert hat. In Crailsheim geboren, schlug sie nach ihren Studien in Stuttgart bei Otto Hermann und in Hannover bei Hans Deinzer zunächst eine Orchesterlaufbahn ein und wurde Mitglied des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks. Es folgte ein Engagement als Solo-Klarinettistin bei den Berliner Philharmonikern, welches sie jedoch bald aufgab, da sie zunehmend als Solistin gefragt wurde. Im Laufe ihrer mehr als 30-jährigen Karriere führten sie ungezählte Konzerte in alle Musikzentren Europas sowie nach Brasilien, Israel, Kanada, China und Australien, nach Japan und in die USA. Sabine Meyer feierte weltweit Erfolge als Solistin bei mehr als dreihundert Orchestern. Sie gastierte bei allen bedeutenden Orchestern in Deutschland und wurde von den führenden Orchestern der Welt engagiert, so u. a. von den Wiener und den Berliner Philharmonikern, vom Chicago Symphony, vom London Philharmonic und vom NHK Symphony Orchestra. Des weiteren von den Radio-Sinfonieorchestern in Wien, Basel, Warschau, Prag sowie von zahlreichen anderen Klangkörpern.

 

2018 war Sabine Meyer Porträtkünstlerin des Schleswig-Holstein Musik Festivals. Ihre besondere Zuneigung gehört der Kammermusik, wobei sie Wert auf eine langfristige Zusammenarbeit mit ihren Partnern legt. In vielfältigen Besetzungen musiziert sie unter anderem mit Künstlern wie Christiane Karg, Martin Helmchen, Nils Mönkemeyer, William Youn, Antje Weithaas, Veronika Hagen, Bertrand Chamayou oder mit dem Armida Quartett. Auch in der Saison 2022/23 war Sabine Meyer wieder auf den bedeutenden nationalen und internationalen Bühnen zu hören. So zum Beispiel im Trio mit der Sängerin Fatma Said und dem Pianisten Malcolm Martineau im Konzerthaus Berlin oder auf einer Deutschland-Tour mit dem Alliage Quintett, auf der die Musiker:innen im Dezember 2022 unter dem Titel Winterzauber weihnachtliche Musik spielten. Das Alliage Quintett ist ein klassisches Saxophon-Quartett plus Klavier. Im Frühjahr 2023 absolvierte Sabine Meyer eine umfangreiche Tour mit der Kammerakademie Potsdam sowie Konzerte mit dem Navarra Symphony Orchestra.

Sabine Meyer setzt sich immer wieder für zeitgenössische Musik ein – so wurden ihr Werke von Jean Françaix, Edison Denissov, Harald Genzmer, Toshio Hosokawa, Manfred Trojahn, Aribert Reimann, Peter Eötvös und Márton Illés gewidmet. Sie hat zahlreiche Einspielungen bei EMI Classics (Warner Classics) gemacht; es gibt Aufnahmen für die Deutsche Grammophon, für Sony sowie für CAvi-music. Das aufgenommene Repertoire reicht von der Vorklassik bis hin zu zeitgenössischen Kompositionen und umfasst alle wichtigen Werke für Klarinette. Zuletzt erschien bei Sony ein Trioprogramm mit Nils Mönkemeyer und dem Pianisten William Youn sowie Fantasia mit dem Alliage Quintett.

Neben der achtmaligen Auszeichnung mit dem ECHO KLASSIK ist Sabine Meyer Trägerin des Bundesverdienstkreuzes, des Niedersachsen- und des Brahms-, sowie des Praetorius Musikpreises Niedersachsen. Sie ist Mitglied der Akademie der Künste Hamburg und bekam den französischen Orden Chevalier des Arts et des Lettres verliehen.

Nils Mönkemeyer

Künstlerische Brillanz und innovative Programmgestaltung sind die Markenzeichen, mit denen sich Nils Mönkemeyer als einer der international erfolgreichsten Bratschisten profiliert und der Bratsche zu enormer Aufmerksamkeit verholfen hat. Als Exklusiv-Künstler bei Sony Classical brachte er in den letzten Jahren zahlreiche Alben heraus, die von der Presse hoch gelobt und mit Preisen ausgezeichnet wurden. In seinen Programmen spannt Mönkemeyer den Bogen von Entdeckungen und Ersteinspielungen originärer Bratschenliteratur des 18. Jahrhunderts bis hin zur Moderne und zu Eigenbearbeitungen. 

Die zuletzt erschienenen CDs sind Einspielungen von William Walton, Max Bruch und Arvo Pärt mit den Bamberger Symphonikern unter der Leitung von Markus Poschner. Des weiteren das kammermusikalische Album Baroque, sowie das neueste Album, auf dem Nils Mönkemeyer gemeinsam mit dem Ensemble l’arte del mondo Paganinis Sonata per la Gran Viola e Orchestra mit Bearbeitungen von Cello- und Fagottkonzerten von Antonio Vivaldi und mit L’arte del arco von Giuseppe Tartini kombiniert. Im Frühjahr 2023 erschien ein neues Album in Zusammenarbeit mit der Blockflötistin Dorothee Oberlinger. Nils Mönkemeyer arbeitet zusammen mit Dirigent*innen wie Andrej Boreyko, Sylvain Cambreling, Constantinos Carydis, Nicholas Collon, Reinhard Goebel, Elias Grandy, Pietari Inkinen, Vladimir Jurowski, Joana Mallwitz, Andrew Manze, Cornelius Meister, Mark Minkowski, Kent Nagano, Markus Poschner, Kristiina Poska, Michael Sanderling, Clemens Schuldt, Markus Stenz, Mario Venzago oder Simone Young und konzertiert als Solist mit Orchestern wie dem Tonhalle-Orchester Zürich, dem London- und dem Helsinki Philharmonic Orchestra, mit den Musiciens du Louvre, mit dem ORF RadioSymphonieorchester Wien, den Sinfonieorchestern von Tokyo und Bern, dem Orchestra della svizzera italiana, dem Deutschen Symphonie-Orchester, dem Rundfunk-Sinfonieorchester und dem Konzerthausorchester Berlin, der Dresdner Philharmonie, dem Philharmonischen Staatsorchester Hamburg, dem Frankfurter Museumsorchester, dem SWR Symphonieorchester, dem MDR Sinfonieorchester, der NDR Radiophilharmonie, dem Orchestre de Chambre de Lausanne, mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen, dem Münchener Kammerorchester oder mit den Berliner Barock Solisten. In der Saison 2022/23 brachte er u.a. mit dem Tonhalle-Orchester Zürich Peter Ruzickas Depart zur Uraufführung und war mit der Philharmonia Zürich unter Simone Young, dem RSO Wien unter Duncan Ward, mit dem Sinfonieorchester Basel unter Markus Poschner, dem Orquesta de Valencia unter Dennis Russell Davies, dem Orchestre National de Lille unter Jean-Claude Casadesus und dem Stuttgarter Kammerorchester zu hören. Die Saison führte Nils Mönkemeyer unter anderem in die Elbphilharmonie Hamburg, in die Tonhalle Zürich und in das Große Festspielhaus in Salzburg, des weiteren nach Mailand, Turin, London und Valencia sowie zu internationalen Festivals wie MiTo Festival, Schubertiade, Heidelberger Frühling, Festspiele Mecklenburg Vorpommern und Vevey Spring Classics. Beim Schwäbischen Frühling gastiert Nils Mönkemeyer 2023 als Artist in Residence.

Daneben geht Nils Mönkemeyer als Musiker seinem Herzenswunsch nach, mit Musik Brücken zu bauen und sie denjenigen zugänglich zu machen, die im Leben benachteiligt sind. Dafür hat Nils Mönkemeyer zusammen mit der Caritas Bonn im Jahr 2016 das Kammermusikfestival Klassik für Alle ins Leben gerufen.

Seit 2011 ist Mönkemeyer Professor an der Hochschule für Musik und Theater München, an der er selbst bei Hariolf Schlichtig studiert hatte. Im Jahr 2022/2023 hielt er eine Gastprofessur an der Sibelius Academy of the University of the Arts Helsinki inne.

Nils Mönkemeyer spielt auf einer modernen Bratsche von Philipp Augusti.

vbw-Festivalorchester

Das vbw-Festivalorchester gastiert nun zum zwölften Mal in unserer Konzertreihe. Dieses Jugendsinfonieorchester basiert auf einer Initiative der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. (vbw) und des Festivals der Nationen in Bad Wörishofen. Partner dieses Förderprojektes für Schüler und Jugendliche im Alter von 11 bis 17 Jahren sind das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus sowie die Stiftung ‘art 131’.

Im Rahmen des international renommierten Festivals der Nationen in Bad Wörishofen werden alljährlich herausragende junge Musikerinnen und Musiker, sozusagen die ‘musikalische Nationalmannschaft Bayerns’, in einem Orchester vereint und nach einer intensiven Probenphase in mehreren Konzerten vorgestellt. Unter dem Motto „Bayern bewegt – Jugend bewegt sich“ sollen die individuellen Leistungen sowie der Teamgeist in einem künstlerischen Wettstreit gefördert werden.

Nach dem erfolgreichen Debüt des vbw-Festivalorchesters im Jahr 2009, spielte das Orchester bereits 2010 in Bad Wörishofen mit dem Pianisten Nikolai Tokarev sowie 2011 und 2015 mit dem Geiger David Garrett. 2012 konnten wir das Orchester erstmals nach Fischen verpflichten. Es gastierte mit dem Nachwuchscellisten Leonard Elschenbroich, 2013 mit dem Geiger Kristóf Baráti. 2014 folgte das sensationelle erste Konzert mit der Geigerin Julia Fischer, das noch in bester Erinnerung ist. 2015 beeindruckte der Cellist Mischa Maisky unser Publikum, 2016 spielte dann der russische Pianist Nikolai Tokarev das vierte Klavierkonzert von L.v. Beethoven und 2017 folgte Fazil Say mit dem 5. Klavierkonzert. Danach kam 2018 die Pianistin Olga Scheps, im Jahr 2019 brachte das Orchester zwei Solisten mit: den Geiger Nemanja Radulovic und den jungen Cellisten Lionel Martin. 2020 spielte Alice Sarah Ott ein Klavierkonzert von W.A. Mozart, 2021 kam noch einmal Fazil Say und 2022 begeisterte erneut die Geigerin Julia Fischer. Das Konzert 2023 mit dem Pianisten Igor Levit ist nicht nur für unsere Gesellschaft, sondern für das ganze Oberallgäu ein besonderes musikalisches Ereignis.

Christoph Adt

Christoph Adt studierte an der Stuttgarter Musikhochschule sowie am Mozarteum in Salzburg und absolvierte sein Kapellmeisterstudium bei Thomas Ungar und Ferdinand Leitner. Er erhielt mehrere Preise, darunter auch den 1. Preis beim Internationalen Dirigierwettbewerb in Lugano. Nach seiner Ausbildung war Christoph Adt Assistent des Chefdirigenten beim NDR Rundfunkorchester Hannover. Daneben übernahm er einen Lehrauftrag für Dirigieren an der Stuttgarter Musikhochschule. Von 1994 bis 1997 hatte er die kommissarische Leitung des Hochschulorchesters, von 1990 bis 1999 leitete er außerdem das Junge Kammerorchester Stuttgart. Von 1998 an war Christoph Adt Professor an der Münchner Musikhochschule für die Bereiche Orchesterleitung in der Kirchen – und Schulmusik sowie in der Oratorienklasse. Darüber hinaus bekleidete er von 2007 bis 2017 das Amt des Vizepräsidenten der Münchner Musikhochschule. Im Juni 2017 wurde er zum Präsidenten der Hochschule für Musik in Nürnberg gewählt.

Christoph Adt ist weltweit zu Gastspielen unterwegs. So ist er regelmäßiger Gastdirigent der Philharmonie George Enescu und beim Rumänischen Rundfunkorchester in Bukarest oder beim Japan Philharmonic Orchestra in Tokio. Von 2011 bis 2015 war er Chefdirigent und Künstlerischer Leiter der Bad Reichenhaller Philharmonie.


Zum Programm

Carl Maria von Weber

Frau Sabine Meyer eröffnet den Abend mit dem Concertino Es-Dur, op. 26, WeVN 10, J. 109 von Carl Maria von Weber (1786 – 1826), das er vom 29. März – 3. April 1811 innerhalb weniger Tage niederschrieb.

Erst am 14. März 1811 ist Weber mit vielen Empfehlungsschreiben auf seiner ersten, in Darmstadt begonnenen Konzertreise in München angekommen. Maßgebliche, hochrangige Münchner Persönlichkeiten, wie zum Beispiel der Minister Graf Montgelas oder der Baudirektor Wiebeking,vermittelten ihm schon am fünften Tag nach seiner Ankunft eine Audienz bei der Königin. Ihr Einverständnis war generell die Voraussetzung für einen öffentlichen Auftritt im Hoftheater. Weber war während der Münchner Monate Gast im Haus Wiebeking, wo gleich zu Beginn eine entscheidende Begegnung mit dem ersten Klarinettisten des Hof-Opernorchesters, Heinrich Joseph Bärmann stattfand.

Das königliche Orchester zählte damals schon 87 Mitglieder. Weber war begeistert und schrieb nach einer Don Giovanni-Aufführung in sein Tagebuch: „So ein Orchester hebt Einen gen Himmel wie Meereswogen, wenn das Finale losgeht und die Ouverture und der Furienchor!!! Mordelement, was hat der Kraft, es packt mich so wenn ich daran denke, dass ich vor Ungeduld die Feder wegwerfen möchte …!“

Am 5. April 1811 fand Webers erstes Konzert im Münchner Hoftheater statt und brachte ihm mit 448 Gulden den bislang höchsten Gewinn aus einem Konzert ein. Das Mammutprogramm umfasste neben einem Violinkonzert und einer Arie anderer Komponisten Webers erste Sinfonie, sein erstes Klavierkonzert mit ihm selbst als Solisten, sowie das Concertino für Klarinette und Orchester. Max Maria Weber, sein Sohn, Verfasser der ersten Biographie über den Komponisten berichtet: „Das von Bärmann unbeschreiblich schön geblasene Konzertino in Es regte das Publikum zu enthusiastischem Beifall an und erfreute den König so, dass er Weber nach dem Konzerte vor sich befahl und bei ihm noch zwei Konzerte für Klarinette bestellte. Das Konzert begründete seinen Ruf als Komponist und Klavierspieler in München.“ (*1, S.119)

Angesichts der großen Anerkennung beim Publikum und der Wertschätzung der Musiker notierte Carl Maria von Weber:„Seit ich für Bärmann das Concertino componiert habe ist das ganze Orchester des Teufels und will Concerte von mir haben. Sie überlaufen den König und die ganze Intendance und wirklich ist dermalen für ziemlichen Preiß bei mir bestellt: 2 Clarinetten-Concerte, 2 große Arien, 1 Violoncellokonzert für Legrand, 1 Fagottkonzert.“

Das Cellokonzert kam leider nicht zustande. Die beiden Klarinettenkonzerte Opus 73 und Opus 74 schrieb Weber im Auftrag des bayerischen Königs noch im gleichen Jahr und wieder innerhalb kurzer Zeit. Sie alle, und die Kammermusikwerke, Variationen mit Klavier Opus 33 und das Klarinettenquintett Opus 34 sowie das Grand Duo concertant pour Pianoforte et Clarinett Opus 48 sind seinem Freund Heinrich Joseph Bärmann (1784 – 1847) gewidmet, der seit 1807 Erster Klarinettist der Münchner Hofoper war und diese Position bis zu seinem Tod innehatte. Bärmann hatte eine neue Klarinette mit nunmehr zehn Klappen. Damit boten sich ihm noch mehr Ausdrucksmöglichkeiten. Weber war fasziniert, und es war vor allem die Sensibilität von Bärmanns Spiel, die ihn zu den genannten Werken inspirierte.

Auch Felix Mendelssohn Bartholdy und Giacomo Meyerbeer, widmeten Joseph Bärmann Klarinettenkompositionen und pflegten eine lebenslange Duzfreundschaft mit ihm.

Mit den Konzerten in München gelang Weber nicht nur der künstlerische Durchbruch, sondern der hoch verschuldete Weber verdiente endlich das dringend benötigte Geld. Nur so konnte er seine Verbindlichkeiten von ca. 2.700 Gulden allmählich abtragen. Erst 1819 verfolgten ihn keine Gläubiger mehr.

Schon während seines ersten Engagements als Kapellmeister in Breslau von 1804 bis 1806, das er mit gerade mal achtzehn Jahren antrat, geriet Weber in finanzielle Not. Er musste seinen Vater unterstützen, das Leben war wegen des Winteraufenthalts des schlesischen Adels relativ teuer, sein Gehalt bescheiden, und Webers unbekümmerter Lebensstil verschlimmerte diese prekäre Situation. Dabei arbeitete er wie besessen und seine Reformen des Opernbetriebs sind bis heute gültig.

Natürlich erwuchsen ihm aus diesen Neuerungen im Opernbetrieb auch Gegner und als Weber zwei Monate krankheitsbedingt ausfiel, nutzten seine Neider die Gelegenheit und entließen Personal, ohne dies mit ihm abzusprechen. Eine fataler Irrtum hatte Webers Ausfall bewirkt: Sein Vater benötigte für seine Kupferstecherei Salpetersäure und stellte eine Flasche achtlos zwischen andere Weinflaschen, aus der dann Weber trank.

Man fand Carl Maria von Weber eines Abends bewusstlos in seiner Wohnung. Weber verätzte sich die Stimmbänder, verlor seine Stimme und konnte von da an nurmehr mit Mühe sprechen. Aber er überlebte. Als er von den Kündigungen am Theater erfuhr, nahm er kurz entschlossen seinen Hut, ungeachtet seiner zu diesem Zeitpunkt schon prekären finanziellen Situation.

Eine Verehrerin und Schülerin Webers konnte ihm beim musikliebenden Herzog Eugen Friedrich Heinrich von Württemberg, dem späteren König Friedrich I von Württemberg, den Titel eines Musik-Intendanten vermitteln. Es war nur ein Titel. Weber erhielt keinen besonderen Auftrag und bekleidete kein Amt. Der ausgezeichnete Ruf der herzoglichen Kapelle und dieser Titel dienten nur dazu, Weber bei den geplanten Konzertreisen Türen zu öffnen und Konzerte zu ermöglichen. Vom Spätsommer des Jahres 1806 bis Februar 1807 war Weber mit seinem Vater und einer Tante Gast des Herzogs. Dieser bewohnte zu dieser Zeit sein Schloss im oberschlesischen Carlsruhe. Fern von seinen Gläubigern fühlte Weber sich unbeschwert. Er begann endlich wieder zu komponieren. In dieser Zeit entstanden seine zwei Sinfonien, Variationen für Bratsche über das österreichische Lied A Schüsserl und a Reinderl, das Liebeslied Ich denke Dein und sieben Klaviervariationen über Bianchis Air Vien qua, Dorina bella. Des weiteren schrieb er ein Hornkonzert, das er später aber noch mal überarbeitete.

Als der Herzog und sein Hofstaat 1807 wegen der Kriegswirren nicht länger im schlesischen Carlsruhe bleiben konnten, machten sich Weber und sein Vater bereits im Februar auf nach Stuttgart. Weber verbrachte unterwegs ein paar Monate in Breslau bei Freunden, bis ihn ein Gläubiger erkannte.

Am 17. Juli kam er endlich in Stuttgart an, wo er als Privatsekretär von Herzog Ludwig, dem Bruder des inzwischen zum König avancierten Friedrich eine Anstellung fand. Die häufigen Umzüge des Hofes von Stuttgart nach Ludwigsburg und die Reisen, bei denen Weber seinen Dienstherrn begleiten musste, rissen Weber immer tiefer in den finanziellen Ruin, zumal der Hof die zugesagte Erstattung seiner Reisekosten nicht einhielt. Außerdem lebte Weber selbst als Kavalier mit Reitpferd und Diener weit über seine Verhältnisse. Der Herzog, der einen aufwendigen Lebensstil pflegte und sich außerdem gerne mit jungen Männern umgab, die am Hof offiziell irgendwelche Fantasie-Aufgaben zugeteilt bekamen, bot wohlhabenden Eltern die Möglichkeit, ihre Söhne mit 1.000 Gulden vom Wehrdienst freizukaufen. Weber bot einem jungen Mann über einen Mittelsmann ebenfalls ein solches Geschäft an, das aber aufflog, als der junge Mann trotz der Kaution eingezogen wurde. Wegen Unterschlagung, Bestechung und Diebstahls wurde Weber am 9. Februar 1810 während einer Probe verhaftet und sechzehn Tage inhaftiert. Der König leitete den Prozess selbst. Er hatte großes Interesse, dass der Freikauf vom Militärdienst nicht publik wurde. Er befürchtete Unruhen in der Bevölkerung, die in diesen kriegerischen Zeiten um ihre Söhne bangte. Um weiteres Aufsehen zu vermeiden, entschied der König rasch: Weber und sein Vater wurden des Landes verwiesen mit der Verpflichtung, nach und nach alle Schulden zu bezahlen.

In dieser unruhigen Stuttgarter Zeit komponierte Weber 1809 das zweite Werk, das wir von ihm in unserem Konzert hören werden: das Andante und Rondo ungarese für die Alt-Viola, das er seinem Bruder Fritz von Weber widmete. Es ist die ursprüngliche Gestalt des späteren Andante e Rondo ungarese für Fagott op. 35, das Weber 1813 in seinem Werkverzeichnis dann als Concertino per la Viola, gänzlich umgeschmolzen für Fagott notierte. Die beiden Versionen sind in den Hauptmotiven und in der Form identisch. Sie unterscheiden sich lediglich durch eine neue Orchesterinstrumentation in der zweiten Hälfte des Rondos. Das Autograf war lange Zeit verschollen, bis der Weber-Forscher Friedrich Wilhelm Jähns, nach dem auch das Werkverzeichnis Webers benannt ist, das Autograf im Nachlass des Bratschen-Virtuosen Franz Xaver Semler fand. Die „melodievolle und originelle Composition“, so Jähn, fand in der Leipziger Allgemeinen Musik Zeitung eine ausführliche Beurteilung: „Die sanfte und ausdrucksvolle Melodie im Andante nach Art eines Siciliano kehrt zweimal mit leichter und neuer Begleitung wieder. Der schöne Mittelsatz in As macht sich durch Zusammenstellung von 2 Fagotts und Hörnern vorzüglich interessant. Im Rondo Ungarese herrscht durchaus eine dem Thema getreue Haltung…Weber hat in diesem Produkt sein herrliches Talent für edlen, herzansprechenden Gesang und effectvolle Instrumentirung, so wie die Benutzung gemachter Erfahrungen und seine reichen harmonischen Kenntnisse neuerdings rühmlich bewiesen.“ (*2, S.92 u.176)

Max Bruch

Als nächstes hören Sie die beiden Künstler im Doppelkonzert für Klarinette, Viola und Orchester c-Moll, op. 88 von Max Bruch (1838 – 1920), das er 1911 für seinen Sohn Max Felix schrieb, Dieser war Klarinettist, setzte sich zeit seines Lebens für die Werke des Vaters ein und führte dieses Werk zusammen mit dem Bratscher Willy Hess am 5. März 1912 in Wilhelmshaven aus dem Manuskript erstmals auf.

Es war eine Angewohnheit von Max Bruch, nach Manuskriptaufführungen Partitur und Stimmen noch einmal gründlich durchzuarbeiten. So hob der Bruch-Schüler Leo Schrattenholz das Doppelkonzert erst am 3. Dezember 1813 in der endgültigen Fassung in Berlin aus der Taufe. Der Musikhistoriker Karl Gustav Fellerer beurteilt das Werk kritisch: „Das Doppelkonzert lässt in einem betont periodischen Aufbau die Klarinette führen, wenn auch die beiden Soloinstrumente periodisch im Vortrag des Themas abwechseln. Die Frische der Erfindung seiner früheren Konzerte fehlt diesem Alterswerk ebenso wie die innere dramatische Spannung. (*3, S.164)

Vielleicht ist in diesem Zusammenhang erhellend, dass Max Bruch sich bereits im Januar 1911 altersbedingt und aus gesundheitlichen Gründen von seinen Ämtern als Direktoriumsmitglied der Berliner Musikhochschule und als Vizepräsident der Akademie der Künste zurückzog. Auch war er verbittert und enttäuscht, dass das Interesse an seiner Musik nachließ, während Richard Strauss und Max Reger so erfolgreich waren. Bruchs Gegner warfen ihm vor, dass er in den Idealen eines Akademismus erstarre. Aber bis heute sind sein schönes g-Moll-Violinkonzert, seine Schottische Fantasie oder Kol Nidrei feste Bestandteile unserer Konzertprogramme. Und vieles aus seinem umfangreichen Schaffen, die Lieder, Oratorien, Bühnen- und Kammermusikwerke hätten auch heute mehr Aufmerksamkeit verdient. Wir hörten im April 2023, vollendet und berührend vom französischen Meister-Klarinettisten Patrick Messina und seinen zwei Triokollegen einen der acht Sätze aus Opus 83 als Zugabe vorgetragen. Wieder nur ein ‘Bruch-Stück’ in doppeltem Sinn.

Beethoven

Nach der Pause dann die 6. Sinfonie in F-Dur, op. 68, von Ludwig van Beethoven (1770 – 1827), die er 1807/1808 gleichzeitig mit der fünften in Wien komponierte. Die Skizzen zu beiden Werken reichen zurück bis 1803/1804 und bemerkenswert ist, dass Beethoven bei der sechsten schon einmal, wie in der Neunten, an den Einsatz eines Chores dachte.

In einem Brief an seinen Verleger nennt er das Werk „eine Pastoral-Sinfonie oder Erinnerung an das Landleben, mehr Ausdruck der Empfindung als Malerei.“ Und er fügte den Untertitel Sinfonia pastorale hinzu.

Beethoven widmete sowohl die fünfte als auch die sechste Sinfonie seinen Gönnern, dem Fürsten Franz Joseph von Lobkowitz und dem Grafen Andreas von Rasumowsky.

Da Beethoven gleichzeitig an der fünften und an der sechsten Sinfonie arbeitete, ist es nicht verwunderlich, dass sie auch miteinander in der Akademie am 22. Dezember 1808 im Theater an der Wien uraufgeführt wurden. Auffallend ist dabei, dass die Zählung der beiden Werke noch umgekehrt war. Der Beethoven-Biograf Jan Caeyers bemerkt hierzu: „Was das Zeitgefühl und das Erleben der menschlichen Existenz angeht, bilden die c-Moll-Sinfonie und die Pastorale diametrale Gegensätze … doch vor allem inhaltlich sind sie so miteinander verbunden, dass man sie als Paar sehen kann. Die formalen Parallelen sind verblüffend: Der erste Satz ist vergleichsweise kurz und beginnt mit einem viertaktigen Motiv, einer Art ‘Motto’, jeweils abgeschlossen durch eine Fermate. Dieses charakteristische Motiv wird weiterentwickelt, ohne dass ein klar strukturiertes und abgegrenztes Thema entsteht. Die Finalsätze sind dagegen verhältnismäßig lang. Es sind Hymnen, auf die das gesamte Werk ausgerichtet ist, sie werden sorgfältig vorbereitet und wachsen organisch aus den vorangegangenen Sätzen hervor.

Andererseits bilden die beiden Sinfonien charakterlich ein Gegensatzpaar, sie sind komplementär, was sie noch stärker aneinander bindet. In der c-Moll-Sinfonie wird der Hörer von den anstürmenden Klängen mitgerissen. Das hauptsächlich rhythmische ‘Klopfmotiv’ wird endlos wiederholt und treibt die Sinfonie auf obsessive Weise voran. Der Eindruck ist so überwältigend, dass man fast nur noch das Ganze wahrnimmt, während die Details in den Hintergrund geraten, man vergisst, auf die abrupten Übergänge, plötzlichen Modulationen und klanglichen Eruptionen zu achten. Ausführende und Hörer geraten in eine Art Rauschzustand; ‘man möchte flüchten, das Haus fiele ein’ soll Goethe gesagt haben. Beethoven selbst wusste sehr gut, dass die (V.) Sinfonie ihre Kraft vor allem der rhythmischen Intensität verdankte (heute würde man von ‘Drive’sprechen). Der letzte Satz, schrieb Beethoven einmal in einem Brief, mache ‘mehr lärm als 6 Pauken und zwar bessern lärm’.

In der Pastorale geschieht dann das Gegenteil: Die Zeit verstreicht langsam, die Musik wirkt abgeklärt, wie von einer tiefen inneren Ruhe erfüllt. Die musikalischen Gestalten ‘entwickeln’sich kaum, es fehlt der Sog in eine bestimmte Richtung, der tonale Pulsschlag ist langsam, die harmonische Spannung gering; es gibt keine ausgeprägte Leittönigkeit, keine rasche Abfolge von Akkorden mit dominantischer Funktion. Auch kein eigentlich dramatisches Element: Die vorübergehende Störung durch den ‘Sturm’ im vierten Satz verstärkt letztlich nur die friedvolle Empfindung des Finalsatzes, der wie ein langes Dankgebet klingt. Trotz des Untertitels Sinfonia pastorale und des Titels „Erinnerung an das Landleben“ im Programm der Akademie vom 22. Dezember 1808 ist die Sinfonie kein Naturgemälde, weshalb der Titel auch mit dem Zusatz „mehr Ausdruck der Empfindung als Mahlerey“ versehen war. Die Darstellung des Gewitters im vierten Satz und die wörtlichen Nachtigallen-, Wachtel- und Kuckucks-Zitate am Schluss des zweiten sind die Ausnahmen, die man als Anspielungen auf die Tradition der Pastoralkomposition verstehen kann. ( Dass Beethovens Kuckuck eine große Terz singt, während der echte Kuckuck meistens eine kleine Terz hören lässt, ist ein sympathischer Schönheitsfehler im Werk des großen Meisters und betont den symbolischen Charakter des Zitats!)

Was das Zeitgefühl und das Erleben der menschlichen Existenz angeht, bilden die c-Moll-Sinfonie und die Pastorale diametrale Gegensätze. Im 19. Jahrhundert sahen Kommentatoren darin einen Dualismus von Erhabenheit, Kampf und Triumph auf der einen und Schönheit, Lebensgenuss und Dankbarkeit auf der anderen Seite. Ausgehend von Beethovens Notizen könnte man auch andere Gegensätze formulieren: Stadt und Land, Modernität und Nostalgie, Intellektualismus und Spiritualität. Noch anders gesagt: Die beiden Sinfonien sind aufeinander bezogen wie Yang und Yin und nur in ihrem komplementären Verhältnis ganz zu erfassen. Dass Beethoven (Anm.: kurz vor der Drucklegung 1809 in Leipzig bei Breitkopf&Härtel ) die Reihenfolge der beiden Sinfonien noch umkehrte, so dass die Pastorale zu einer Reflexion über die c-Moll-Sinfonie wurde, erscheint aus dieser Perspektive höchst bedeutungsvoll.“ (*4, S. 421 ff.)

Im Zusammenhang mit der VI. Sinfonie sei noch ein kleiner Rückblick in die bald 75jährige Geschichte unseres Vereins angefügt:

Am Sonntag, den 15. Mai 1960 um 19.00 Uhr spielten die Münchner Philharmoniker unter ihrem damaligen Chef, GMD Fritz Rieger, unter anderem die Pastorale anlässlich des 10jährigen Bestehens der Gesellschaft „Freunde der Musik“ Sonthofen im großen (Speise-)Saal der GOB-Kaserne.

Kurz vor dem Konzertbeginn begann ein furchterregendes Gewitter. Die Besucher kamen zum Teil triefend nass und mit Verspätung zum Konzert, dessen Beginn sich um fast dreißig Minuten verzögerte.

Es war in jeder Hinsicht ein unvergessliches Erlebnis: Durch die großen, raumhohen Fenster sah man draußen Blitze und die regen- und sturmgepeitschten Bäume, hörte den bedrohlichen Donner, und gleichzeitig erklang im Saal die Pastorale mit Beethovens Gewitter.


*1 Max Maria Weber: Carl Maria von Weber – ein Lebensbild. Grote’sche Verlagsbuchhandlung Berlin 1912

*2 F.W. Jähns: Carl Maria von Weber in seinen Werken. Chronolog.-thematisches Verzeichnis seiner sämmtlichen Compositionen. Schlesinger’sche Buch- u. Musikalienhandlung, Berlin 1871

*3 Karl Gustav Fellerer: Beiträge zur rheinischen Musikgeschichte – Max Bruch, Heft 103, Volk-Verlag Köln 1974

*4 Jan Caeyers: Beethoven. Der einsame Revolutionär. Eine Biographie. Verlag C. H. Beck 2012

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